Thomas Winkler | Galerie Christine Mayer


Ausstellung bis 30. Mai 2015

Zentrum von Thomas Winklers (*1972) zweiter Einzelausstellung in der Galerie Christine Mayer bildet
die großformatige Wandarbeit Ohne Titel, 2012/2015, die aus 167 exakt übereinander- und
nebeneinandergereihten, schwarz- weißen Fotoprints besteht. Auf den einzelnen Fotografien sind drei
Männer zu sehen, die in noch unberührter Vegetation im Yukon (Kanada) nach Gold suchen. Thomas
Winkler begleitete die Exkursion und dokumentierte die Suche nach dem vermeintlichen Reichtum mit
seiner Kamera.

Die Nähe zu den mit Detektor, Gewehr und Schaufel gerüsteten Protagonisten ist durch
das Monumentale der Wandarbeit jedoch völlig aufgehoben, die starken Schwarz-Weiß-Kontraste
schaffen Distanz. Die Fotos wirken nicht im Einzelnen und lassen sich – trotz ihrer Aneinanderreihung –
auch nicht als Abfolge oder durch eine Leserichtung fassen. Die Gesichter der einzelnen Goldgräber,
die Dokumentation ihrer gierigen Suche, die eigentliche Intention der Aufnahme verschwimmen immer
mehr. Der Betrachter bleibt zurück und lässt den abstrahierenden „Overload“ des wandfüllenden
Werks, dessen Grundlage das fotografische Medium ist, als Gesamtheit auf sich wirken.
Als Gegenstück der Wandarbeit kann in der Ausstellung das ihr vis-à-vis hängende Werk Ohne Titel,
2015, Layout mit 5 Fotos gesehen werden, das in fünf aufeinanderfolgenden, beinahe identischen
Sequenzen eine japanische Frau zeigt, die in einem Restaurant in Tokyo Suppe in eine Schüssel
füllt. Die warmen Farben der Szene und das ruhige Gebaren der Frau schaffen heimische Nähe, der
lapidar mit Hand gezogene schwarzen Rahmen erinnert an ein Entwurfslayout und umrandet fast
beschützend das Foto-Fries. Es sind die antithetischen Prinzipien von Ausbeutung und Zuwendung,
von distanzschaffender Größe, von Auswählen und sanftem Festhalten fotografischer Momente, die
sich gegenüberstehen und die Hauptachse der Ausstellung von Thomas Winkler bilden.
Ein weiteres Werk der Ausstellung stellt das Gemälde Ohne Titel, 2015 dar, das als eine nicht zu
übersehende Hommage an On Kawara gelten kann. Denn Konzept und Methode und auch die
formal-ästhetischen Prinzipien scheinen auf den ersten Blick denen des japanischen Konzeptkünstlers
zu gleichen. Bei genauerem Hinsehen variieren jedoch Farbe und Typografie, durch die sichtbaren
Bleistiftgeraden wird der Schaffensprozess des kleinen Gemäldes unterstrichen. Thomas Winkler stellt
sich in Anlehnung an den im Jahr 2014 verstorbenen On Kawara mit „1972-“ die Frage nach seinem
persönlichen Ende, verweist allgemein auf dieses Jahr und setzt es in Bezug zur Unendlichkeit.
Zwei weitere Werke auf Leinwand – ein Selbstporträt des Künstlers und das Gemälde Ohne Titel (90),
2015 aus seiner 2003 begonnen Layoutreihe – werden in den Räumen der Galerie Christine Mayer
präsentiert.
In seinem Selbstporträt Ohne Titel, Graphit auf Leinwand, 2015 überträgt Thomas Winkler mit Hilfe
der Rastermethode, die schon Jahrhunderte zuvor auch Albrecht Dürer verwendete, ein Foto aus
seiner Teenagerzeit mit Graphit und weißer Acrylfarbe auf eine fertig grundierte Leinwand. Das Raster,
das als einst als Vorstufe zum eigentlich Werk galt, ist hier deutlich zu sehen und unterteilt das frontal
gezeichnete Gesicht des Künstlers in immer gleich große Rechtecke.
Über Eck gezeigt wird Ohne Titel (90), eine monochrom mittelgrau grundierte Leinwand, auf der
sich acht Rechtecke in verschiedenen Grau- und Anthrazittönen finden, die ebenfalls entsprechend
einer Rasterordnung angeordnet sind. Diese Farbfelder wirken wie Übermalungen eines darunter
Befindlichen, wie eine Eliminierung von etwas Dagewesenem. Die Malerei kann als eine Fortführung
der Fotolayouts von Thomas Winkler gelten, in denen er die Rasterstruktur von Layouts aus der
Werbung verwendet, um sie mit eigenen oder gefunden Fotografien zu füllen. Es ist eine fotografische
Dokumentation des sozialen Umfelds, der Veranstaltungen und besuchten Lokalitäten, der Orte und
Reisen von Thomas Winkler, eine Dokumentation des eigenen Lebens und der eigenen Zeit des
Künstlers, die durch seine konzeptuelle Vorgehensweise auf den Fotolayouts visualisiert wird und in
seinen Gemälden fortgesetzt wird. Die Dokumentation des eigenen Lebens wird so zum eigentlichen
Gegenstand der künstlerischen Arbeit. Das in der Ausstellung präsentierte Bild Ohne Titel (90) stellt
jedoch das vorerst letzte Gemälde der Layoutreihe und somit einen Endpunkt der „Sozialen Layouts“
dar: „Die Dokumentation des Sozialen, bisher ein wesentlicher Bestandteil meiner Kunst, kommt
immer mehr zu einem Ende. Nach einem fortschreitenden Prozess des exzessiven Abwendens bin
ich auf mich selbst zurück geworfen und finde das ehemals soziale Layout nur noch als tragende
Struktur vor.“(1)
Via E-Mail schreibt Thomas Winkler an Thomas Winkler Gedichte, die gespickt sind mit zeittypischen
Begriffen und vielleicht wie seine Fotografien Momentaufnahmen der (eigenen) Existenz darstellen,
die nach dem großen Zusammenhang fragen: „Das Schöne an Kunst ist doch, dass man sich
existenziellen Fragen stellen und widmen und dem Sein im Ansatz etwas näher kommen, sich in die
Sphäre ‚jenseits von Gut und Böse’ begeben kann. Ich glaube, dass es das in der Kunst schon immer
gegeben hat und geben wird.“(2)
(1) Zitat: Thomas Winkler, Gespräch mit dem Künstler, 2015
(2) Zitat Thomas Winkler, Gespräch mit dem Künstler, 2015
Franziska Linhardt
(Pressetext Galerie Christine Mayer)

Thomas Winkler
Ausstellung bis 30. Mai 2015
Öffnungszeiten: Dienstag – Freitag 14 – 18 Uhr | Samstag 11 – 15 Uhr

Galerie Christine Mayer
Liebigstraße 39, 80538 München

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