Ausstellung bis 30. Juli 2015
Mein bisheriger Favorit im Rahmen des Kunstwochenendes München – Via Lewandowsky „Es ist Zeit“ in der Galerie Karin Sachs.
Via Lewandowsky arbeitet mit wechselnden künstlerischen Medien. Am bekanntesten sind seine skulptural-installativen Arbeiten und seine Ausstellungsszenografien mit architektonischen Einflüssen. Bereits seit den 1990er Jahren integriert er immer wieder Soundartelemente in sein Werk, dieser klangkünstlerische Aspekt bekommt in den späteren Arbeiten, oft in Kombination mit performativen Anleihen, zunehmend mehr Gewicht.
Es ist immer für etwas Zeit. Es ist Zeit, endlich Rache zu nehmen und den elenden Köter von nebenan einen Kopf kürzer zu machen. Aber darüber reden wir später. Der alttestamentarische blaue Neon-Schriftzug „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ (Au Au, 2015) hat ein phonetisches Problem mit den Silben. Immer, wenn das Licht einzelner Silben des Schriftzuges ausfällt, werden sie von einer Männerstimme intoniert, willkürlich und unrhythmisch, zufällig und unemotional. Das nach konkreter Poesie klingende Gestotter hat zugleich etwas Beruhigendes und Verstörendes.
Die Party geht jetzt erst recht weiter. Aus einem kleinen ITT-Kassettenrekorder strahlt unvermittelt farbiges Licht und dazu ist der Stadionlärm des Guns N‘ Roses-Live-Konzerts der Use-Your-Illusion-Tour von 1992 in Tokyo zu hören (Don’t cry, 2015). Der gleichnamige Titel wird nach wenigen Takten wieder abgebrochen, die Fans toben weiter. Dafür dringt dichter Bühnennebel aus dem Kassettenfach. Nach 35 Sekunden ist die Show vorbei, das Objekt wieder stilles Zeugnis einer längst vergangenen Ära.
Das auratische Knistern eines Transitorradios wird von dem gleichmäßigen Schwingen eines an der wippenden Antenne hängenden Kruzifixes begleitet (Darum hört das Wort aus der transzendentalen Wüste, ihr Spötter, 2015). Es ist Zeit, daß man endlich versteht, daß auf namenlosen Radiosequenzen unerhörte Botschaften überbracht werden.
Irgendwo reibt sich noch eine Baßgitarre an einem Ausstellungssockel (instrumental, 2011) und ein kleiner Rahmen aus Messingrohr improvisiert stumm in endlosen Stellungen die Avantgarde des Konstruktivismus (Contenance (Relationale Skulptur #6), 2014).
Jetzt ist es Zeit, die handschriftlichen Aufzeichnungen von Durs Grünbein unter den Reisefotos zu lesen (Gott macht keine R-Gespräche, 2010-2015, Fotoserie mit Texten von Durs Grünbein). Endlich macht alles einen Sinn.
Via Lewandowskys Fokus ist nicht auf eine festgelegte künstlerische Form gerichtet, sondern auf eine inhaltliche Basis, die die Diversität der optischen Erscheinung der Werke bündelt. So lassen sich Leitmotive herauskristallisieren, die seine Arbeiten prägen. Das Missverständnis als Scheitern von Kommunikation, als Dekonstruktion und Umformung von Sinn ist eines davon, das Prozesshafte ein weiteres. Der Künstler sucht nicht nach dem abgeschlossenen, dem Ende, nicht nach der vollständigen Destruktion, sondern nach dem konstruktiven Moment innerhalb eines (Zerstörungs)prozesses. Dies gilt insbesondere für die Satire und den Anti-Pathos in Lewandowskys Werk, die nicht despektieren, sondern dem Ausgangsgegenstand mit Be- und Verwunderung begegnen. Pressetext Galerie Karin Sachs
Via Lewandowsky „Es ist Zeit“
Öffnungszeiten: Dienstag – Freitag 13 – 18 Uhr | Samstag 12 – 16 Uhr
Galerie Karin Sachs, Augustenstraße 48, 80333 München