Fusion | Knust x Kunz +


Ausstellung bis 26. Juni 2015

Die Ausstellung „Fusion“ bei Knust x Kunz + kuratiert von Jonathan Drews erhält ihren Titel aus der Ableitung der Bedeutung des Begriffs im Binokularsehen des menschlichen Auges. Dies beschreibt die Fähigkeit die Bilddaten in korrespondierenden Wahrnehmungen der beiden monokularen Blickfelder der einzelnen Augen zu einem Bild zu verschmelzen. Das Ergebnis ist das sogenannte Binokularsehen. Dieses ermöglicht räumliches Sehen in Überwindung des Simultansehens durch die Fusion von Einzelbildern. Erweitert man diesen Gedanken auf die verschiedenen Perspektiven der einzelnen Künstler ergibt sich die Frage nach einem geteilten „Gemeinsinn“ für inhaltliche und formale Problemstellungen ihrer Arbeiten, die sich in den fünf künstlerischen Positionen in je unterschiedlicher Weise widerspiegeln.

Die Fusion der in der Ausstellung repräsentierten Künstler – Mohamed Bourouissa, Nick Devereux, Sofia Hultén, Julius von Bismarck, Jonathan Drewsverschmelzen durch die Auswahl ihre unterschiedlichen Arbeitsmethoden in Korrespondenzen des eigenen Sehens zu einem Spektrum inhaltlicher und formaler Blickrichtungen, die um die Frage nach der Bedingung der Möglichkeit einer konstruktiven Destruktion einer destruktiven Konstruktion gruppiert wurden. Die Perspektiven fusionieren so zu einem „Thinktank“, der um das Gravitationszentrum des Naturbegriffs versammelt wird.

Nach Schelling gelangt die Natur im Bewusstsein des Menschen zum eigenen Bewusstsein über sich selbst. Der Mensch als kulturschaffendes Wesen wird bewusst als Teil von der Natur gesehen. Dieser erzeugt in seiner kulturellen Entwicklung die Bedingungen von Kultur als optimiertem Lebensraum für sich als Mängelwesen, deren Ausgangsmaterial er aus der Natur schöpft. Dass der Mensch bewusst Kultur schafft und doch als Material und Geist der Natur entspringt, setzt ihn in Spannung zu seiner Umwelt, der er sich objektivierend und aneignend als Material und Potential, als natura naturata, bedient. Die verstärkte, seit der Aufklärung bis heute vorangetriebene Beherrschung der Natur durch die Erkenntnisfähigkeit des Menschen und die sich daraus ergebene Nutzung von Werkzeugen als Technik erhebt den Menschen mit den geschaffenen Möglichkeiten der Gentechnik bis zur Versuchung Schöpfer zu werden.

Die Technik schiebt sich im Werkzeug zwischen Natur und Bewusstsein und dient dem Menschen gleichzeitig als Verlängerung und Verstärkung seiner Befähigungen, wie auch als Distanzierungsmöglichkeit von seinen reproduktiven Ursprüngen. Die Technik spannt im Werkzeug die Kräfte des Menschen über seine eigene Kontrolle hinaus an.

Der Mensch des Anthropozäns, der zu einem Entscheidung treffenden Einflussfaktor für das Weiterbestehen und die weitere Entwicklung seines eigenen Lebensraumes geworden ist, wird als Natur, die auf Natur als Umwelt angewiesen ist, durch sein eigenes Bewusstsein zur nachhaltigen Mäßigung im Denken herausgefordert. Die Frage nach Gebrauchswert und Tauschwert der natura naturata als Gegenüber des Subjekts, als Objekt, als Verwertungsmöglichkeit in zweckrationalen Ausbeutungsbestimmungen, hat sich durch ökonomisches Effektivierungsdenken längst auf das Individuum als Einzelmenschen in seiner Funktion als „Humankapital“ eines ökonomisch zu organisierenden Zweck-Nutzen-Zusammenhangs zurückgespiegelt und unterwirft den Einzelnen einem System der Rationalisierungszwänge.

Der Komplex dieser Schwellensituation, an der das menschliche Bewusstsein versucht ist, die Natur schaffend zu unterwerfen, findet in seiner Hoffnung auf das Grenzenlose den Moment der Erhabenheit in

seinem eigenen individuellen Bewusstsein. Das Empfinden von Erhabenheit, welche nach Kant angeblich durch die Erschütterung der Sinne erweckt wird und einen moralähnlichen Zustand anbahnt, bekommt bei Kant die Aufgabe, die Geister des „Zauberlehrlings“ in die Schranken seiner eigenen Befähigungen zu verweisen.

Die vier Künstler, Mohamed Bourouissa, Sofia Hultén, Nick Devereux und Julius von Bismarck wurden in einer künstlerkuratierten Ausstellung von Jonathan Drews in der Galerie Knust x Kunz + versammelt. Die Auswahl wurde um den formalen und inhaltlichen Komplex von formal und materiell unterschiedlich formulierten Optionen künstlerischen Schaffens zur konstruktiven Destruktion einer destruktiven Konstruktion von zweckrationalem Denken gruppiert. Die Arbeiten umkreisen in der hier stattfinden Fusion der Perspektiven den Zweck-Mittel-Zusammenhang zwischen Technik und Natur als sichtbaren Ausgangspunkt für ihre Arbeit. Dies wirft immer auch einen Blick auf den Wert des einzelnen Menschen in der Rolle als Künstler und Betrachter, der in die Lage versetzt ist, an der Schwelle zu stehen, zwischen einer zweckrationalen, begrifflich geleiten Perspektive auf seine Umwelt, und einer ästhetisch vermittelten Denkweise, die das Erleben und den Wert des Gegenüber als natura naturata und natura naturans in seiner zum Selbstzweck seiner Existenz gehörigen Würde zu empfinden.

Die Zusammenstellung der Arbeiten ermöglicht den offenen Umgang eines formalen Spiels mit der Schwelle der Kreation einer kulturell vermittelten Umgebung durch das naturgegebene und doch kulturell überformte Bewusstsein, das im Werk des Künstlers mit Materie zum Werk fusioniert. Die Verschmelzung von Materie und Bewusstsein im menschlichen Wesen und als Ausdrucksmöglichkeit des Menschen in Kunst, ermöglicht für die hier zusammengestellte Ausstellung zwei Fragen aufzuwerfen: Was ist der Mensch wert? Was ist der Wert eines Menschen? (Pressetext Jonathan Drews / Knust x Kunz +)

Fusion – Mohamed Bourouissa, Nick Devereux, Sofia Hultén, Julius von Bismarck, Jonathan Drews
Ausstellung bis 26. Juni 2015
Knust x Kunz +, Theresienstraß 48, 80333 München

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